01.07.2022 -  Laute Worte an die Adresse der Lampe

Noch heute bin ich dankbar für meine Lehre als Elektromonteur. Im Leben begegne ich gelegentlich Situationen, in denen ich das damals in der Jugendzeit Erlernte anwenden darf. Kürzlich werde ich gebeten, eine neue Lampe zu montieren und zusätzlich zwei Lampen umzuhängen, damit es im Raum eine bessere Lichtverteilung gibt. Ohne Widerrede nehme ich den Kleinauftrag an und bin vor Ort, um die Arbeiten auszuführen. Es fällt mir sehr leicht, die erste Lampe von der Decke zu schrauben und diese am neuen Bestimmungsort wieder zu montieren. An der frei gewordenen Lampenstelle soll nun eine Hängeleuchte montiert werden. Das heisst, ich brauche dazu eine Hakenschraube, an der das ganze Konstrukt mittels eines Kunststoffteils befestigt werden kann. Was so einfach erscheint und ich ganz locker leicht angehe, erweist sich je länger desto mehr als Sisyphusarbeit. Zuerst ist die eine Hakenschraube zu klein, die grössere Schraube viel zu gross. Und wie ich die passende Schraube eingedreht habe, gelingt es mir nicht, das Plastikteil mit der Öse ganz oben in den Haken einzuführen. Dazu hätte es wohl die dünnen Finger eines Kindes gebraucht. Ich merke, wie ich ungeduldig werde und nahe daran bin zu verzweifeln. Dann setze ich auf die Karte Brechstange, doch auch das bringt mich keinen Schritt weiter. Also nächster Versuch, indem ich das Lampenkonstrukt mit bösen Worte beleidige. Doch diese scheint meine Worte nicht hören zu wollen und ich bin einen Millimeter vor dem resignierten Aufgeben. Zwischenzeitlich hat sich innerlich eine Wut aufgebaut, welche ich ziemlich unkontrolliert verbal durch den Mund abbaue. Es konnte doch nicht sein, dass ich den Kampf gegen diese doofe Lampe nicht gewinne. Der Druckausgleich ist wieder hergestellt, der Dampf ist entwichen. Ich nehme ruhig nochmals einen letzten Anlauf. Und auf magische Weise mit Zauberhänden begleitet hängt die Lampe plötzlich in der Hakenschraube und es gelingt mir, die rundliche Abdeckung nach ganz oben zur Decke zu schieben, sodass die elektrischen Drähte nicht mehr sichtbar sind. Nur ganz wenige Minuten nach dem Wutausbruch ertönt ein stolzes "Yes", kinästhetisch unterstützt von einer geballten Faust. Der Lichttest ist ebenfalls erfolgreich, die Lampe brennt.

Oftmals sind die vermeintlich kleinen Dinge im Alltag begleitet von den grössten Hürden. Und umgekehrt wurzeln in den ganz grossen Dingen ganz kleine Ursachen. Oft stelle ich bei Klienten fest, dass ein Thema in der Grösse eines Elefanten im Raum steht. Und wenn wir gemeinsam den Baum hinunterklettern und unter die Erdoberfläche schauen, uns den Wurzeln nähern, dann lässt sich oft ein kleines Steinchen erkennen, welches zur falschen Zeit an den falschen Ort gelegt wurde.

Oder aber wie im Lampenkontext vergrämen wir uns selber die Laune aufgrund von Lappalien und Nichtigkeiten. Wir lassen dabei unseren Emotionen freien Lauf, oft in Form von Ärger, Wut oder Zorn. Doch beim genauen Hinschauen lässt sich erkennen, dass die Ursache an einer anderen Stelle etwas viel Grösseres ist.

Also darfst du in der nächsten Begebenheit gerne mal etwas genauer in dich schauen, ob es sich wirklich um das dreht, was du unbewusst meinst. Du wirst erkennen, dass dahinter meist etwas anderes versteckt ist, ziemlich sicher ein Bedürfnis, welches du gerade nicht befriedigt bekommst.